Das Seminar widmet sich den infrastrukturellen Bedingungen von Theater in kolonialen Kontexten. In gemeinsamen Lektüren und Diskussionen wird es nach den architektonischen, technischen und materiellen Infrastrukturen fragen, die die Produktion kolonialer Räume im und durch Theater ermöglichten. 
Theaterwissenschaftliche Aufmerksamkeit wurde bisher vordringlich der Performanz kolonialer Räume geschenkt, d.h. wie die Kolonie durch das Theater der Kolonisierenden kulturell eingerichtet, reflektiert und als identifikatorische Selbstvergewisserung wirksam wurde. Dabei wurden bspw. das offizielle Kolonialtheater, das Amateurtheater der Kolonisten sowie Welt- und Kolonialausstellungen untersucht. Die Performanz des kolonialen Raums im und durch Theater wird jedoch selten an seine infrastrukturellen Bedingungen geknüpft. Nur durch diese konnte jedoch ein geschichtsmächtiges "space-making" in den Kolonien gelingen, wie Marian Burchardt und Dirk van Laak in dem Buch "Making Spaces through Infrastructure. Visions, Technologies, and Tensions" (2023) zeigen. 
Im Rückgriff auf Texte über Infrastrukturen aus Kunst- und Geschichtswissenschaft möchte das Seminar die in aufschlussreichen Studien untersuchte Performanz kolonialer Räume einer "infrastructural critique" unterziehen: 
Auf welche Architekturen und technischen Einrichtungen greifen diese durch Theater hergestellten Räume zurück? Welche Infrastrukturen waren notwendig, damit der koloniale Raum durch Theater in spezifischer Weise eingerichtet werden konnte? Wie unterscheiden sich die Infrastrukturen des Theaters in unterschiedlichen Kolonien und gemäß der unterschiedlichen Kolonialpolitik der Kolonialmächte? Welches Verhältnis von Kolonialmacht, kolonialen Siedlergesellschaften und kolonisierter Bevölkerung materialisierten die Infrastrukturen, welche Möglichkeiten gaben sie vor? Gab es Fehlfunktionen oder Umnutzungen infrastruktureller Einrichtungen, insbesondere auch durch Kolonisierte selbst? Inwiefern sind die fokussierten Infrastrukturen Teil umfassender extraktivistischer Ausbeutungspraktiken und damit Teil des "Capitalocene" (Jason W. Moore)? Kurz: Wie genau wurde die jeweilige koloniale Situation erschlossen und wie wurde sie mit Hilfe von kultureller Infrastruktur im Detail theatral gestaltet? 

Semester (Kursübersicht): 2025S